Raumfahrttechnik: Raketen, Trägersysteme, Raumtransporter

Raumfahrttechnik: Raketen, Trägersysteme, Raumtransporter
Raumfahrttechnik: Raketen, Trägersysteme, Raumtransporter
 
Die Bereitstellung von Diensten für den Start und der Satellitentransport ins All selbst werden heute als Komplettleistung von einer Reihe von Firmen beziehungsweise Konsortien angeboten. Der Satellitentransport hat sich zu einem interessanten kommerziellen Markt entwickelt, auf dem heftige Konkurrenz herrscht. Marktuntersuchungen zufolge sollen in den zehn Jahren von 1998 bis 2007 insgesamt 1300 Satelliten in den Weltraum gebracht werden, was ein Finanzvolumen von 45 Milliarden US-Dollar für die zugehörigen Startdienste bedeutet. Für die Kunden, also die Satelliteneigner und -betreiber, sind neben der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Trägers auch die strikte Einhaltung des vereinbarten Starttermins und natürlich die Transportkosten entscheidend für die Auswahl des passenden »Satelliten-Spediteurs«.
 
 Ariane
 
Die europäische Raumfahrtgesellschaft Arianespace wurde 1980 gegründet. Sie ist eine Kapitalgesellschaft französischen Rechts und hat ihren Sitz in Evry bei Paris. Geschäftszweck des Unternehmens ist, Starts von Raumtransportern der europäischen Ariane-Familie zu vermarkten und durchzuführen, die dazugehörigen Dienstleistungen zu erbringen sowie die Produktion der Raketen in Auftrag zu geben und zu überwachen. 56 Gesellschafter aus zwölf europäischen Staaten (überwiegend Luft- und Raumfahrt- sowie Maschinenbau- und Elektronikfirmen, aber auch Banken und Versicherungen) besitzen Beteiligungen an Arianespace; französische Unternehmen halten gut die Hälfte, deutsche knapp 19 Prozent der Anteile. Die Tochtergesellschaft »S3R« (Société de Réassurances des Risques Relatif aux Applications Spatiales) wurde 1986 gegründet, um Versicherungsleistungen für Kunden zu erbringen, die das technische Risiko eines Satellitenstarts finanziell absichern möchten — inzwischen ebenfalls ein gefragter und florierender Geschäftszweig.
 
Der Name »Ariane« ist seitdem zum Markenzeichen eigenständiger europäischer Satellitenstarts geworden. Die Vermarktung der Startdienste und den Startbetrieb hat die Firma Arianespace übernommen; die Herstellung der Trägerraketen und ihrer Bauteile besorgt im Auftrag von Arianespace ein Konsortium aus zahlreichen europäischen Raumfahrt-, Maschinenbau- und Elektronikunternehmen, wobei die französische Aerospatiale die Rolle des Hauptauftragnehmers übernommen hat.
 
In den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts ist Arianespace zum Weltmarktführer für kommerziellen Satellitentransport in den geostationären Transferorbit (GTO) aufgestiegen. Im Jahre 1997 hatte das Unternehmen mit 16 in den Weltraum transportierten Satelliten bei elf Starts und einem Umsatz von 2,5 Milliarden DM (knapp 1,3 Milliarden Euro) einen Weltmarktanteil von mehr als 50 Prozent. Insgesamt 145 Satelliten und 27 weitere Nutzlasten wurden für etwa 50 verschiedene Kunden in den Weltraum befördert (Stand: 1998). Die Kunden sind in erster Linie kommerzielle Privatgesellschaften, die zum Beispiel Fernseh- beziehungsweise Rundfunksatelliten beziehungsweise Telekommunikationssatelliten betreiben, oder staatliche Stellen für Telekommunikations- und Wetterdienste, aber auch die ESA selbst mit ihren Wissenschaftssatelliten.
 
Das »Arbeitspferd« ist die äußerst zuverlässige Trägerrakete Ariane 4. Sie kann als einzige Rakete mit einem Start zwei große Satelliten gleichzeitig in den Weltraum befördern; mit dieser Eigenschaft hat sie sich als besonders wirtschaftlich erwiesen, was zum kommerziellen Erfolg von Arianespace maßgeblich beigetragen hat. In ihrer stärksten Version — der 44L-Konfiguration (die Bezeichnung besagt, dass die Rakete beim Start von vier an der ersten Stufe außen angebrachten Zusatzraketen mit Flüssigkeitstriebwerken unterstützt wird) — kann sie eine Nutzlast von 4800 Kilogramm transportieren. Das modulare Konzept erlaubt es, je nach Gewicht der zu transportierenden Nutzlast unterschiedlich schubstarke Konfigurationen dieses Trägers zusammenzustellen. Damit entstehen dem Kunden, wenn die geforderte Transportleistung niedrigerer ist, sowohl geringere Herstellungskosten des Trägers als auch niedrigere Gesamtkosten des Satellitenstarts.
 
Sechs unterschiedliche Flugkonfigurationen der Ariane 4 sind möglich — sie resultieren aus verschiedenen Kombinationen von Startzusatzraketen (Boostern) mit Feststoff- oder Flüssigkeitstriebwerken und verschieden großen Nutzlastbehältern an der Raketenspitze. Alle Versionen verwenden aber das gleiche »Kernfahrzeug«. Es besteht aus drei Raketenstufen jeweils mit Flüssigkeitstriebwerken, wobei die erste und zweite Stufe (sowie die Flüssigkeitszusatzraketen) die »klassischen« Treibstoffe Hydrazin und Distickstofftetroxid und die dritte Stufe kryogene (kalte) Treibstoffe, nämlich flüssigen Wasserstoff und Sauerstoff, verwenden.
 
Am 4. Juni 1996 startete die noch stärkere und auf verbesserten Technologien basierende Rakete Ariane 5 zu ihrem Jungfernflug. Nach wenigen Sekunden in der Luft wurde sie instabil und zerbarst durch die aerodynamischen Kräfte. Daraufhin gab der Bordcomputer den Befehl zur Sprengung. Die nachfolgenden Untersuchungen ergaben, dass einige Zeilen in dem aus der Ariane 4 übernommenen Programmcode nicht an die höhere Leistung der Ariane-5-Raketen angepasst worden waren. 1998, nach zwei erfolgreichen Erprobungsflügen, wurde die Rakete schließlich für diensttauglich erklärt.
 
 Das Konzept der Ariane
 
Die Idee, eine unabhängige europäische Raumfahrtagentur ins Leben zu rufen, geht bis in die frühen Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts zurück. Geleitet von dem Gedanken, dass Einheit Stärke verleiht, haben sich 1962 sechs europäische Staaten (Belgien, Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien, die Niederlande und Großbritannien) zur ELDO, der »European Launcher Development Organisation«, zusammengeschlossen, um gemeinschaftlich eine Trägerrakete zu entwickeln.
 
Inzwischen gehören 14 Staaten Westeuropas der europäischen Weltraumbehörde ESA (European Space Agency), der Nachfolgeorganisation der ELDO, an. Deren Ziel ist die Koordinierung von gemeinschaftlicher Weltraumforschung, die Durchführung von Anwendungsprogrammen der Erdbeobachtung und Telekommunikation sowie Entwicklung und Bau der dazu erforderlichen Transportsysteme, Satelliten, Plattformen und Bodenanlagen. Die ESA ist in erster Linie eine multinationale Forschungs- und Entwicklungsorganisation; auf ihr Wirken gehen aber mittlerweile auch zum Teil kommerziell erfolgreiche Produkte zurück wie die Trägerrakete Ariane, die Telekommunikationssatelliten ECS und Marecs oder der Wettersatellit Meteosat.
 
Ähnlich wie das Airbus-Flugzeugprogramm hat sich auch das Ariane-Raumtransportprogramm politisch, wirtschaftlich und technisch als europäische Erfolgsgeschichte erwiesen. Ein wichtiger Grundstein dieser Entwicklung war der im Juli 1974 gefasste Beschluss der in der europäischen Weltraumbehörde ESA zusammengeschlossenen Staaten, einen schweren Satellitenträger zu entwickeln; ausdrückliches Ziel war es, eine eigenständige europäische Zugangsmöglichkeit zum Weltraum zu schaffen. Das technische und finanzielle Management des Ariane-Entwicklungsprogramms wurde von der ESA an die französische Raumfahrtagentur »Centre National des Études Spatiales« (CNES) delegiert. Frankreich hatte mit anfänglich zwei Dritteln und später immerhin noch rund der Hälfte den mit Abstand größten Anteil an den Entwicklungskosten übernommen; die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich hieran mit etwa einem Viertel. Dementsprechend werden auch etwa die Hälfte der Entwicklungsaufträge an französische und rund ein Viertel an deutsche Raumfahrtfirmen vergeben.
 
Der Jungfernflug der Ariane 1 am 24. Dezember 1979 war ein voller Erfolg. Insgesamt wurden 28 Exemplare der Träger Ariane 1 bis 3 und über 75 Ariane-4-Fahrzeuge gebaut. Mehr als 100 Exemplare der Rakete Ariane 4 werden ins All gestartet sein, bis dieser Typ etwa im Jahre 2005 völlig von der Ariane 5 abgelöst worden sein wird.
 
Die vollständige Neuentwicklung der Ariane 5 — ebenfalls unter der Verantwortung der ESA und durchgeführt vom CNES an der Spitze eines Konsortiums aus verschiedenen Unternehmen in elf europäischen Ländern mit einem wie schon bei Ariane 4 dominanten französischen Beitrag — dauerte 13 Jahre und hat fast ebenso viele Milliarden DM gekostet. Dieses Modell soll nach und nach die Ariane 4 als den europäischen Standardträger ablösen. Um auch in nächster Zukunft Doppelstarts von Satelliten zu ermöglichen, muss die Leistung der Ariane-5-Rakete deutlich höher sein als die der Ariane 4, da die zu befördernden Satelliten immer größer und schwerer werden. In ihrer Basiskonfiguration kann sie 6000 Kilogramm Nutzlast in den geostationären Transferorbit und bis zu 18 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit tragen. In den Jahren bis 2006 soll in drei Schritten die Tragkraft so gesteigert werden, dass 11 000 Kilogramm in den geostationären Transferorbit gebracht werden können. Dazu ist vorgesehen, die Leistung des Haupttriebwerks der Unterstufe zu steigern, das Gewicht der zwei Feststoffzusatzraketen zu reduzieren und zwei gänzlich neue, stärkere Versionen der Oberstufe mit einem gänzlich neu entwickelten Motor einzusetzen.
 
 Der Flug einer Ariane-Rakete
 
Die 33,2 Meter hohe erste Stufe des Ariane-4-Kernfahrzeugs wird von vier Raketenmotoren des Typs »Viking V« angetrieben. Während der etwa 206 Sekunden dauernden Brennphase verbrauchen sie ungefähr 229 Tonnen Treibstoffe und produzieren einen Gesamtschub von 2,7 Millionen Newton (bezogen auf Meereshöhe). Zum Vergleich: Die vier Triebwerke eines Jumbojets erzeugen beim Startvorgang einen Schub von rund einem Meganewton. Die genaue Brenndauer und Treibstoffmenge hängen von der Nutzlast und den spezifischen Bedingungen ab. Durch die zwei oder vier außen an der Unterstufe angebrachten Hilfstriebwerke wird der Schub um etwa ein Viertel erhöht. Bei Brennschluss der ersten Stufe hat die Rakete eine Höhe von 70 Kilometern und eine Geschwindigkeit von 2,8 Kilometern pro Sekunde erreicht. Die erste Stufe wird abgetrennt und fällt zur Erde (in den Atlantischen Ozean) zurück; die Starthilferaketen sind schon früher abgeworfen worden (die Feststoffbooster haben 33 Sekunden, die Flüssigkeitsbooster 142 Sekunden Brenndauer).
 
Die 6,5 Meter lange zweite Stufe mit ihrem Motor »Viking IV« brennt für ungefähr 130 Sekunden, verbraucht dabei 34,5 Tonnen Treibstoff und liefert einen Schub von 786 Kilonewton. Zur Flugsteuerung dienen die hydraulisch schwenkbare Viking-Düse und zwei zusätzliche kleinere Heißgastriebwerke, welche die Bewegung um die Längsachse steuern. In einer Höhe von 135 Kilometern und bei einer Geschwindigkeit von 5,4 Kilometern pro Sekunde wird auch die zweite Stufe abgeworfen. Sie verglüht beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.
 
Die dritte Stufe (Oberstufe) der Ariane 4 ist mit 11,6 Tonnen flüssigem Wasserstoff als Brennstoff und flüssigem Sauerstoff als Oxidator gefüllt. Die Ingenieure bezeichnen sie nach dem griechischen Wort für Frost, »kryos«, auch als kryogene Stufe, da Wasserstoff und Sauerstoff nur bei sehr niedrigen Temperaturen (—253 Grad Celsius beziehungsweise —183 Grad Celsius) flüssig sind. Der Flüssigwasserstoff dient, bevor er in die Brennkammer eingespritzt wird, auch noch dazu, die glockenförmige Triebwerksdüse zu kühlen. Der Motor »HM7 B« erzeugt während der Stufenbrenndauer von 780 Sekunden einen Schub von 63 Kilonewton im Vakuum. Sobald die Trägheitsnavigationssensoren dem Flugcomputer melden, dass die vorgesehene Bahnhöhe von etwa 200 Kilometern und die notwendige Geschwindigkeit von 7,8 Kilometern pro Sekunde für einen kreisförmigen »Parkorbit« erreicht sind, wird das Triebwerk abgeschaltet. In der Regel verbleiben dann noch etwa 250 Kilogramm an unverbrauchtem Treibstoff in den Tanks, der für etwaige Bahnkorrekturen verwendet werden kann. Für den Satelliten bedeutet dies, dass er weniger von seinem eigenen Treibstoff für die endgültige Positionierung verwenden muss, woraus eine erhöhte Dienstdauer des Satelliten im Orbit resultiert.
 
Jetzt wird noch der Satellit von der dritten Stufe getrennt. Wenn die Nutzlast aus zwei Satelliten besteht, die sich ja nicht zu nahe kommen dürfen, ist dies ein durchaus kompliziertes und kri- tisches Manöver. Damit ist der Flug des Ariane-Trägers erfolgreich beendet.
 
Neben dem Marktführer Arianespace gibt es eine Reihe von Firmen beziehungsweise Konsortien, die kommerziellen Satellitentransport anbieten. Die »alten« Weltraummächte USA und Russland haben einige ihrer Raketentypen, die in der Frühzeit der Raumfahrt für militärische Zwecke oder für bemannte Raumflüge entworfen worden waren, inzwischen zu modernen, leistungsfähigen Satellitentransportern fortentwickelt. Ähnlich wie bei Ariane sind auch die amerikanischen und russischen Träger in einer Vielzahl von Typen und Varianten vorhanden, die jeweils unterschiedliche Tragkraft bieten und so spezifische Transportanforderungen wirtschaftlich erfüllen sollen. Aber auch China, Japan und Indien sind inzwischen mit eigenen Trägern in den Wettbewerb um die lukrativen Satellitenstarts eingetreten.
 
 Arianes Konkurrenz: die NASA
 
Die »National Aeronautics and Space Administration« (NASA) ist die Weltraumbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie wurde 1958 vom damaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower ins Leben gerufen und — unter dem Eindruck des »Sputnik-Schocks« — beauftragt, ein Weltraumprogramm zu planen und durchzuführen, das Amerika einen Platz als Vormacht im Weltraum sichern sollte. Die NASA konnte schon nach sehr kurzer Zeit große Erfolge verbuchen. Zu den bekanntesten gehören das Apollo-Mondlandeprogramm, die Voyager-Sonden zu den äußeren Planeten, die Entwicklung des Spaceshuttles und — aus jüngerer Zeit — das Hubble-Weltraumteleskop, die Galileo-Mission zum Jupiter und der Mars-Pathfinder.
 
Heute betreibt die NASA elf Forschungs- und Testzentren, verfügt über ein Jahresbudget von knapp 14 Milliarden Dollar und beschäftigt etwa 18 000 Wissenschaftler, Ingenieure und Unterstützungspersonal. Mit ihren Aufträgen sichert sie Tausende von Arbeitsplätzen in Industrie und Universitäten.
 
Das stärkste Trägersystem der NASA und damit der USA ist die Rakete Titan, gebaut von der Firma Lockheed-Martin. Die Modelle Titan 3 (Erstflug 1964) und Titan 4 (Erstflug 1989) waren und sind der Standardträger der US-Luftwaffe für sehr schwere Militär-Satelliten; Titan 3 wurde gelegentlich auch bei großen Wissenschaftssatelliten der NASA eingesetzt, die den Erdorbit verlassen und ferne Ziele im Sonnensystem erreichen sollten (zum Beispiel die heute schon legendären Flüge der Marssonden Viking 1 und 2 im Jahre 1975 sowie der Sonden Voyager 1 und 2 im Jahre 1977 zu den äußeren Planeten).
 
Die Delta, einst entwickelt von der NASA und heute von der Firma Boeing in zahlreichen modernisierten Varianten mit unterschiedlichen Kombinationen von Startzusatzraketen gebaut, ist flexibel einsetzbar für schwere und mittelschwere Lasten. Die Delta ist ein vielfach bewährter Träger für Wissenschafts- und Anwendungssatelliten der NASA sowie für militärische Nutzlasten. Beispielsweise werden die GPS-Navigationssatelliten mit der Delta ins All befördert. Die Delta ist aber auch als Ariane-Konkurrenz auf dem Markt für kommerziellen Satellitentransport erfolgreich.
 
Die Trägerrakete Atlas wurde wie die Titan einst als interkontinentaler ballistischer Nuklearwaffenträger von der Firma General Dynamics für die US-Luftwaffe entwickelt und später als »Arbeitspferd« in zahlreichen wissenschaftlichen Missionen sowie auch für bemannte Raumflüge des Mercury- und Gemini-Programms eingesetzt. Mehr als 500 Exemplare verschiedenen Typs wurden bislang gestartet. Die Erfolgsrate liegt bei etwa 84 Prozent. In der modernen Version Atlas 2AS beziehungsweise Atlas 2AR, insbesondere in Kombination mit der Oberstufe Centaur, wird sie inzwischen von Lockheed-Martin auch als kommerzieller Satellitentransporter für mittlere Lasten vermarktet.
 
 Sowjetunion und Russland
 
Die ehemalige Sowjetunion leistete sich ein äußerst umfangreiches Arsenal an Trägerraketen verschiedenster Bauart und Tragkraft, um ihre zahlreichen beeindruckenden Weltraumprojekte zu ermöglichen. Ausgehend von wenigen Grundtypen konnten nach dem Prinzip der Modularität mittels Zusatzraketen und diverser Oberstufen viele verschiedene Varianten erprobt und produziert werden. Mit der Proton, der Sojus und der Zyklon 3 besitzt Russland als wichtigster Nachfolgestaat der Sowjetunion heute sehr robuste, zuverlässige und leistungsstarke Raketen. Sie werden nach wie vor für eigene wissenschaftliche und militärische Missionen eingesetzt — die Sojus beispielsweise wird mit der gleichnamigen bemannten Kapsel an der Spitze als Mannschaftstransporter für die Raumstation Mir verwendet —, sie werden aber auch als kommerzielle Satellitenträger für den Weltmarkt angeboten. Dies gilt ebenso für die in der Ukraine und Russland gebaute Zenit. Für die Vermarktung und die Gewährleistung von Startdiensten gemäß westlichen Standards zeichnen Gemeinschaftsunternehmen von westlichen und russischen Raumfahrtfirmen verantwortlich. Die Anlagen und die Infrastruktur des zu Zeiten der Sowjetunion errichteten und heute auf dem Staatsgebiet der Republik Kasachstan gelegenen Weltraumbahnhofs Baikonur wird dafür weiterhin genutzt. Ein Beispiel für ein solches Konsortium ist das französisch-russische Konsortium Starsem, an dem die Unternehmen Arianespace Aerospatiale sowie auf russischer Seite die Raumfahrtagentur RKA und das Samara-Raumfahrtzentrum beteiligt sind. Starsem vermarktet unter anderem die Sojus-Rakete.
 
Im Februar 1992 wurde durch ein Dekret des Präsidenten der russischen Föderation die russische Raumfahrtagentur RKA (Rossijkoje Kosmitscheskoje Arentstwo) gegründet. Sie ist die zentrale Behörde, die für die russische Föderation die nationale Raumfahrtpolitik für die Bereiche Raumfahrtforschung und zivile Nutzung definiert und ausführt. RKA hat die wissenschaftliche Raumfahrtnutzung und die Anwendungsprogramme interdisziplinär zu koordinieren und tritt als staatlicher Auftraggeber auf für die Entwicklung und den Bau von Raumfahrtsystemen und -anlagen. Die Agentur steuert die internationale Zusammenarbeit Russlands in der Raumfahrt, beispielsweise mit den USA und den Staaten Westeuropas bei der Nutzung der Raumstation Mir und beim Bau des russischen Beitrags zur Internationalen Raumstation ISS. Außerdem organisiert und koordiniert RKA kommerzielle Raumfahrtprogramme von russischen Unternehmen mit Dritten.
 
 Der deutsche Beitrag
 
In der Bundesrepublik Deutschland sind die staatlichen Weltraumaktivitäten im DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V.) konzentriert. Das DLR ist das nationale Forschungszentrum auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt, es berät aber auch die zuständigen Bundesministerien und nimmt Aufgaben des Raumfahrtmanagements wahr; dazu zählen insbesondere die Raumfahrtplanung, die Durchführung von Programmen und Einzelvorhaben sowie die Vertretung deutscher Interessen im internationalen Rahmen.
 
Das DLR beschäftigt an acht Standorten 4500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in 30 Forschungsinstituten und Betriebseinrichtungen. Der Etat des DLR für eigene Forschungs-, Entwicklungs- und Betriebsaufgaben beträgt circa 700 Millionen DM (etwa 360 Millionen Euro); das vom DLR verwaltete deutsche Raumfahrtbudget beträgt insgesamt rund 1,5 Milliarden DM (knapp 770 Millionen Euro).
 
 Private Entwicklungen
 
Ein ganz neues Marktsegment erschließen »Kleinträger«, beispielsweise die vollständig mit privatem Kapital entwickelten Pegasus und Taurus der US-Firma Orbital Sciences Corporation. Pegasus ist eine dreistufige Feststoffrakete mit einem dreieckigen Flügel; sie kann bis zu 250 Kilogramm schwere »Kleinsatelliten« zu einem sehr günstigen Preis in einen niedrigen Erdorbit befördern. Das System wird unter die Tragfläche eines Flugzeugs montiert, bis auf 12 000 Meter Höhe gebracht und dann waagerecht gestartet. Taurus ist im Prinzip ein Pegasus-System, bei dem das Flugzeug durch eine Feststoffunterstufe ersetzt ist. Es wird konventionell vom Boden aus gestartet und kann zwischen 800 und 1300 Kilogramm in einen niedrigen Erdorbit tragen. Auf dem Markt der Kleinträger betätigt sich auch »Eurockot«, ein Gemeinschaftsunternehmen der Daimler-Chrysler Aerospace und der russischen Khrunitschew; Eurockot will in Kürze mit einer erweiterten Version der russischen Mittelstreckenrakete SS-19 Satelliten bis zu 1,9 Tonnen in einen niedrigen Erdorbit bringen.
 
Eine Besonderheit bietet das amerikanische Unternehmen Kistler Aerospace mit der voll wieder verwendbaren Rakete K1, die mit Triebwerken aus dem russischen Mondprogramm arbeitet. Sie soll eine Nutzlast von rund 2600 Kilogramm in eine 800 Kilometer hohe Erdumlaufbahn bringen können und — durch Fallschirme und Airbags gebremst — nach ihrem Flug unversehrt wieder auf dem Boden landen. Mit nur drei Raketen sollen so 52 Starts pro Jahr abgewickelt werden. Der Jungfernflug steht bevor.
 
Unabhängig von allen bestehenden Weltraumbahnhöfen ist das internationale Konsortium »Sea Launch«, in dem Firmen aus den USA, Russland, der Ukraine und Norwegen kooperieren: Als Startrampe soll eine umgebaute Ölplattform dienen. Das Unternehmen verwendet die ukrainisch-russische Zenit; norwegische Firmen steuern maritimes Know-how bei, das amerikanische Unternehmen Boeing übernimmt das Gesamtmanagement und die Vermarktung. Für einen Raketenstart wird die Plattform von ihrem Heimathafen Long Beach (Kalifornien) hinaus auf den Pazifischen Ozean zu einem Ort nahe des Äquators geschleppt. Ein Spezialschiff bringt die in der Nähe von St. Petersburg in Russland komplett integrierten Raketen heran. Der Startvorgang wird von einem Kommandoschiff aus in sicherer Entfernung gesteuert und überwacht.
 
 Der Spaceshuttle
 
Der Spaceshuttle — die offizielle Bezeichnung lautet »National Space Transportation System« (Abkürzung: NSTS) — war der erste und ist der einzige einsatzbereite Raumtransporter, welcher nach einem Flug in den Weltraum und der Rückkehr zur Erde die gleiche (oder eine ähnliche) Mission erneut absolvieren kann. Man spricht daher auch von einer »Raumfähre«, die zwischen Erde und Weltraum hin und her zu »pendeln« vermag (das englische Wort »shuttle« bedeutet genau dies).
 
Die Idee eines mehrfach einsetzbaren Trägers liegt nahe, denn konventionelle Träger (»Wegwerfraketen«) bedeuten eine enorme Verschwendung kostspieliger technischer Ressourcen. Die Entwicklung des Spaceshuttles — in den 1970er-Jahren nach dem erfolgreichen Abschluss des Mondlandeunternehmens Apollo als nächstes großes Programm der NASA in Angriff genommen — stand daher unter zwei Grundforderungen: Es sollte Astronauten und wertvolle wissenschaftliche Ausrüstungen sicher und zuverlässig in den Weltraum und zurück zur Erde befördern können, und durch die mehrfache Verwendung sollte es die Kosten erheblich senken. Die Wirtschaftlichkeit eines wieder verwendbaren Trägers ist jedoch nicht ganz einfach zu kalkulieren. Um wirklich mehrere Flüge absolvieren zu können, muss das System nämlich sehr viel größer, schwerer und auch komplexer gebaut werden als eine konventionelle Rakete gleicher Tragkraft. (Die flugzeugähnliche Raumfähre allein besteht aus 220 000 Einzelteilen.) Die Herstellungskosten und auch der Aufwand für den Betrieb wieder verwendbarer Systeme liegen daher beträchtlich höher — ganz zu schweigen von den enormen Entwicklungskosten, die nur dadurch in erträglichen Grenzen gehalten werden konnten, dass von den ursprünglichen Zielen und Vorstellungen der Entwurfsingenieure eine Reihe von Abstrichen gemacht beziehungsweise Kompromisse eingegangen wurden.
 
 Große Hoffnungen, unerfüllte Versprechungen
 
Obwohl der Shuttle das größte NASA-Projekt seit dem Mondlandeunternehmen Apollo war, ist die zu Beginn der 1970er-Jahre vorherrschende Begeisterung für das Weltraumprogramm in den USA weit verbreiteter Skepsis in Regierung und Öffentlichkeit gewichen. Vor dem ersten Start des Spaceshuttles hatte die NASA der Öffentlichkeit, dem Kongress und dem Präsidenten dessen zu erwartende Eigenschaften und Leistungen in den rosigsten Farben geschildert, um das Entwicklungsprogramm technisch zu rechtfertigen und um die erheblichen Mittel dafür bewilligt zu bekommen. So hatte es geheißen, der Shuttle könne sämtliche Transporte in den Weltraum und überdies noch militärische Aufklärungsmissionen übernehmen — die teuren alten »Wegwerfraketen« würde man nicht mehr benötigen; der Shuttle würde auch die Kosten für den Transport ins All auf 1000 bis 2000 US-Dollar pro Kilogramm in den Weltraum gebrachter Nutzlast senken — etwa ein Zehntel dessen, was der Transport mit konventionellen Raketen kostet.
 
Die USA begannen daher anfangs der 1980er-Jahre ihr eindrucksvolles Arsenal an Trägerraketen zu vernachlässigen und sich nahezu ausschließlich auf den Shuttle zu verlassen. Dass dies eine schwere technische und politische Fehleinschätzung war, zeigte sich im Gefolge des Challenger-Unglücks im Januar 1986. Bis zur abschließenden Klärung der Ursache musste die gesamte Shuttle-Flotte für 32 Monate am Boden bleiben. Auch die versprochenen Kostensenkungen wurden nicht erreicht. Im Gegenteil — einen sicheren und reibungslosen Betrieb der Shuttle-Flotte zu gewährleisten, stellte sich als unerwartet aufwendig und kostspielig heraus. Experten schätzen die kaum verlässlich zu ermittelnden tatsächlichen Kosten eines einzigen Shuttle-Flugs auf 400—600 Millionen US-Dollar.
 
Ein Grund, warum der Spaceshuttle gegenüber den konventionellen Trägersystemen wie der Ariane ins Hintertreffen geraten ist, lässt sich an einer wichtigen Kennziffer ablesen: dem Anteil der Nutzlastmasse am gesamten Abfluggewicht. Er beträgt beim Shuttle 1,35 Prozent, ist bei der Ariane 4 aber mit 2,8 Prozent mehr als doppelt so hoch.
 
 Aufbau des Spaceshuttles
 
Die vier Hauptbestandteile des Spaceshuttles sind die Raumfähre (der »Orbiter«), die zwei Feststoffzusatzraketen, der externe Tank und das Hauptraketentriebwerk im Heck. Bis auf den externen Tank sind sämtliche Teile mehrfach verwendbar. Der eigentliche Raumgleiter ist eine Kombination von Rakete, Flugzeug und bemanntem Raumfahrzeug. Er enthält seinerseits als wichtigste Bestandteile die Mannschaftskabine mit den Systemen für die Versorgung der Astronauten mit Atemluft, Energie und anderen lebenswichtigen Ressourcen; den Frachtraum mit den Abmessungen 18,3 × 4,5 Meter, dessen zwei Flügeltüren im All aufgeklappt werden können; den Hauptantrieb, bestehend aus drei mit flüssigem Wasserstoff und Sauerstoff befeuerten Triebwerken mit der Möglichkeit, die Schubstärke und -richtung zu regeln; zusätzliche Triebwerke im Rumpfheck zur Lageregelung und zum Manövrieren im Orbit; den Hitzeschutzschild an der Rumpfunterseite, der die Temperatur an der Fahrzeugaußenhaut beim Wiedereintritt in die Atmosphäre auf Werte von unter 175 Grad Celsius halten soll; ferner die Steuerungssysteme und die äußerst komplexe elektronische Ausrüstung, einschließlich fünf Mehrzweckcomputern.
 
Die zwei großen Zusatzraketen für den Start werden circa zwei Minuten nach dem Abheben in etwa 43 Kilometer Höhe im Flug abgetrennt, gehen an Fallschirmen in den Atlantischen Ozean nieder und können (im Prinzip) wieder aufgearbeitet und für spätere Einsätze verwendet werden. Der zigarrenförmige externe Tank aus einer Aluminium-Lithium-Legierung hat eine Länge von 47 Metern, einen Durchmesser von 8,5 Metern und wiegt leer 26 Tonnen. Er kann etwa 104 Tonnen flüssigen Wasserstoff und 626 Tonnen flüssigen Sauerstoff als Treibstoffe für die Haupttriebwerke am Heck des Orbiters aufnehmen. Während des Aufstiegs wird er in etwa 110 Kilometer Höhe abgeworfen, nachdem er die Haupttriebwerke für knapp neun Minuten Brenndauer mit Treibstoff versorgt hat; er zerbricht beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.
 
Das Spaceshuttle-System kann eine achtköpfige Mannschaft und eine Fracht von bis zu 25 Tonnen in einen 205 Kilometer hohen Erdorbit tragen. Jeder zusätzliche Höhenkilometer reduziert die Nutzlastkapazität um 25 Kilogramm. Bis zu 20 Tage können sich Astronauten ohne Raumanzüge in der Druckkabine des Orbiters aufhalten. Eine Ausstiegsluke führt in die Ladebucht. Mehrere Nutzlastplattformen — einschließlich des in Europa gebauten Forschungslabors »Spacelab« — stehen für Shuttle-Missionen zur Verfügung. Die wichtigsten Aufgaben sind: Aussetzen von Nutzlasten aller Art im niedrigen Erdorbit, Einfang und Rückholung von Satelliten, Reparatur von Satelliten im Orbit, Plattform für kurzzeitige wissenschaftliche Forschungsaktivitäten oder für Technologieerprobung.
 
In den kommenden Jahren wird die Hauptaufgabe des Spaceshuttles sein, die Internationale Raumstation ISS aufzubauen und zu versorgen. Die Shuttle-Flotte (bestehend aus zurzeit vier Fahrzeugen) wird noch über das Jahr 2010 hinaus einsatzbereit sein.
 
Die gesamte Flotte hat seit dem Erstflug eines Shuttles im April 1981 vom Kennedy Space Center in Florida bis jetzt 93 Einsätze (Stand: Ende 1998) absolviert. Anfänglich wurden vier Flugeinheiten, nämlich die Orbiter Columbia, Challenger, Discovery und Atlantis (plus ein weiteres, nicht weltraumtaugliches Fahrzeug für Testzwecke, die Enterprise) gebaut. Die Fähre Challenger ging im Januar 1986 als Folge einer Explosion in einer der Feststoffzusatzraketen beim Aufstieg verloren; alle sieben Besatzungsmitglieder fanden dabei den Tod. Als Ersatz für Challenger wurde im April 1991 ein fünfter Orbiter namens Endeavour in Betrieb genommen.
 
Das Shuttle-Programm war ein gewaltiger Schritt in Richtung auf das Ziel, einen routinemäßigen Zugang zum Weltraum zu schaffen. Gleichwohl konnte das Versprechen drastischer Kostensenkungen nie erfüllt werden. Als bemanntes — und somit teures — System kann der Shuttle beispielsweise bei einem kommerziellen Satellitenstart nicht mit unbemannten Systemen wie etwa einer Ariane konkurrieren.
 
 Raumtransporter der Zukunft
 
Eines der wesentlichen Hindernisse für stärkeres Wachstum und eine deutliche Ausweitung des Raumfahrtgeschäfts sind die extrem hohen Kosten für den Raumtransport: Bei einem kommerziellen Satellitenstart kostet es rund 20 000 Dollar, ein Kilogramm Nutzlast in den Weltraum zu befördern. Immer wieder ist die Forderung erhoben worden, dieser Preis müsse auf etwa ein Zehntel reduziert werden. Dann, so lautet ein häufig benutztes Argument, ließen sich nicht nur die heutigen Raumfahrtanwendungen beträchtlich ausweiten, es könnten auch gänzlich neue Raumfahrtprojekte wirtschaftlich interessant werden — so zum Beispiel die Produktion exotischer Materialien im Weltraum oder die Gewinnung von Energie und Rohstoffen aus dem Weltraum, vielleicht sogar Weltraumtourismus. Der amerikanische Spaceshuttle sollte Raumtransporte sicher und wirtschaftlich machen, konnte jedoch im Ergebnis diesem Anspruch nicht gerecht werden.
 
In der ersten Hälfte der Neunzigerjahre wurden dann sowohl in den USA als auch in Europa und Japan erneut zahlreiche Studien und Entwicklungsarbeiten zu dem Zweck unternommen, solche kostengünstigen zukünftigen Raumtransporter zu konzipieren und zu bauen. Als die entscheidenden Technologien und Systeme, die dafür neu oder weiterentwickelt werden müssen, haben sich herausgestellt:
 
Konstruktionsmaterialien auf der Basis von Metallen und Verbundwerkstoffen, welche den hohen mechanischen und thermischen Belastungen beim Aufstieg und Wiedereintritt standhalten und die gleichzeitig leicht und fest sind;
 
Flugsteuerungselektronik, Computer und entsprechende Software, um die vorgesehene Flugbahn präzis zu halten; Raketentriebwerke mit neuer Konzeption und mit neuen Technologien, die in allen Flugphasen — vom Atmosphärenflug in Meereshöhe bis zum Vakuum des Weltraums — den erforderlichen Schub zur Verfügung stellen und dabei auch noch wirtschaftlich arbeiten; sowie Startanlagen, die einen flexiblen Einsatz und kostengünstigen Betrieb der Fahrzeuge ermöglichen.
 
Eine NASA-Studie kam 1993 zu dem Schluss, dass ein geflügeltes Fahrzeug eine gute Lösung darstellen und die heutigen »Wegwerfraketen« endgültig obsolet werden lassen könnte. Es wäre dem Spaceshuttle nicht ganz unähnlich, allerdings wäre ein solches Fahrzeug insgesamt mit allen seinen Teilen wieder verwendbar. Es würde senkrecht wie eine Raakete starten, in nur einer Stufe den Weltraum erreichen, dort seine Nutzlast absetzen, zur Erde zurückkehren, wie ein Flugzeug landen und dann mit mäßigem Aufwand für einen erneuten Start wieder aufbereitet werden. Das Fahrzeug bliebe über die gesamte Mission als Ganzes physisch intakt, es könnte »sehr oft« benutzt werden und seine Kosten pro Flug wären »niedrig«. Überdies könnte es im Fall von Fehlern während des Aufstiegs seinen Flug jederzeit abbrechen und vollkommen intakt einschließlich seiner Nutzlast landen.
 
In einem Ideenwettbewerb konkurrierten drei Entwürfe, von denen schließlich das Konzept »VentureStar« der Firma Lockheed- Martin als das aussichtsreichste ausgewählt wurde. Die gegenwärtige Planung sieht vor, im Auftrag der NASA für rund eine Milliarde Dollar einen Modell-Prototyp in halber Größe des VentureStar zu bauen; damit sollen die Tauglichkeit des Konzepts bewiesen und die entscheidenden Technologien erprobt werden. Schon 1999 sollte dieses Fahrzeug, das die Bezeichnung X 33 trägt (»X« steht für Experiment) erstmals den Erdorbit erreichen. Nach erfolgreicher Demonstration dieses Konzepts soll dann eine Flotte von Fahrzeugen in voller Größe mit privatem Kapital gebaut werden; wenn das Entwicklungsprojekt wie vorgesehen abläuft, kann im Jahre 2004 der erste VentureStar-Flug stattfinden.
 
Eine andere, technisch sehr viel konservativere Entwicklungslinie als das ambitionierte Projekt VentureStar wird daneben von der US-Luftwaffe und ähnlich auch in Europa verfolgt. Hier sollen existierende Trägersysteme optimiert werden. Diese Konzepte sehen vor, das Grundkonzept der Trägerraketen (Delta, Atlas oder Ariane 5) beizubehalten. Teile wie der Raketenmotor, die Treibstofftanks, die Flugsteuerungssysteme und andere werden auf der Basis neuer oder verbesserter Technologien durch modernere Systeme ersetzt. Insbesondere soll die Herstellung der Raketen und ihrer Teile mittels moderner automatisierter Produktionsmethoden billiger werden, ferner will man die den Start vorbereitenden und begleitenden Arbeiten reduzieren, straffen und so weit wie möglich automatisieren, sodass die Kosten sinken.
 
In den USA möchte man die erprobten, gesicherten Startkapazitäten mit diesen »Evolved Expendable Launch Systems« (etwa: fortschrittliche Wegwerfraketen) aus Gründen der nationalen Sicherheit so lange erhalten, bis die völlig neuen Startsysteme nach Art des VentureStar ihre Bewährungsprobe bestanden haben. Die Verantwortlichen in den US-Streitkräften, aber auch bei den kommerziellen Satellitenbetreibern, kalkulieren in dieser Hinsicht äußerst konservativ und vorsichtig. In ihren Augen kann darüber durchaus noch geraume Zeit verstreichen — eine so lange Zeit jedenfalls, dass es unklug wäre, die zwar teureren, aber erprobten Raketen heute schon abzuschreiben. In Europa glaubt man zudem nicht an den großen technologischen Sprung, den die Hinwendung zu den wieder verwendbaren, geflügelten Systemen der Zukunft bringen könnte, sondern will den Weg dahin nur in mehreren kleineren Zwischenschritten gehen.
 
Prof. Dr. Hans-Joachim Blome und Dr. Jens Fromm
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Weltraum: Ein einzigartiger Forschungsstandort
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Raumfahrttechnik: Antrieb und Bahnmechanik
 
 
Engelhardt, Wolfgang: Die internationale Raumstation. Auf dem Weg ins All. Nürnberg 1997. Mit CD-ROM.
 
Handbuch der Raumfahrttechnik. Grundlagen, Nutzung, Raumfahrtsysteme, Produktsicherung und Projektmanagement, herausgegeben von Willi Hallmann und Wilfried Ley. München u. a. 21999.
 Hawkes, Nigel / Pang, Alex: Raketen und Raumfahrt, bearbeitet von Marcus Würmli. Mannheim u. a. 1998.
 Messerschmid, Ernst W. u. a.: Raumstationen. Systeme und Nutzung. Berlin u. a. 1997.
 Puttkamer, Jesco von: Apollo 11: »Wir sehen die Erde«. Der Weg von Apollo 11 zur internationalen Raumstation. München 1999.

Universal-Lexikon. 2012.

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  • Raumtransporter — Raumfrachter * * * Raum|trans|por|ter 〈m. 3〉 wiederverwendbares Raumfahrzeug, das zu Transportzwecken von Personen u. Ausrüstung eingesetzt wird * * * Raum|trans|por|ter, der: Träger eines Raumflugkörpers, der zur Erde zurückgeführt u. dann… …   Universal-Lexikon

  • Raumfahrt — Astronautik * * * Raum|fahrt [ rau̮mfa:ɐ̯t], die; : alles, was der Mensch unternimmt, um mit Fahrzeugen in den Weltraum zu gelangen: die Raumfahrt fördern. Zus.: Weltraumfahrt. * * * Raum|fahrt 〈f. 20; unz.〉 Wissenschaft u. Technik der… …   Universal-Lexikon

  • Rakete — Ra|ke|te [ra ke:tə], die; , n: 1. besonders in der Raumfahrt und beim Militär verwendeter lang gestreckter, zylindrischer, nach oben spitz zulaufender Flugkörper, der durch abbrennenden Treibstoff bewegt wird: die Rakete startete zum Mond. Zus.:… …   Universal-Lexikon

  • Spaceshuttle — Space|shut|tle auch: Space|shutt|le 〈[spɛısʃʌtl] n. 15 oder m. 6〉 wiederverwendbares Raumfahrzeug der USA [engl.; <space „Weltall, Weltraum“ + shuttle „rasch hin u. herbefördern“] * * * …   Universal-Lexikon

  • Weltraum: Ein einzigartiger Forschungsstandort —   Mit der durch die Weltraumtechnik ermöglichten Nutzung des erdnahen Weltraums als Ergänzung von erdgebundenen Observatorien und Laboratorien wurden die Forschungsmöglichkeiten erweitert. Damit kann man Objekte und physikalisch chemische… …   Universal-Lexikon

  • Ariane — Ari|a|ne 〈f. 19; Raumfahrt〉 europäische Trägerrakete für den Start von Satelliten * * * Ariane,   dreistufige Trägerrakete der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), wurde nach dem Scheitern der früheren Europa Raketen zwischen 1973 und 1981… …   Universal-Lexikon

  • Raumfahrtprogramm — Als Raumfahrt bezeichnet man Reisen oder Transporte in oder durch den Weltraum. Der Übergang zwischen Erde und Weltraum ist fließend und wurde durch die Fédération Aéronautique Internationale (FAI) auf eine Grenzhöhe von 100 Kilometern festgelegt …   Deutsch Wikipedia

  • Weltraumfahrt — Als Raumfahrt bezeichnet man Reisen oder Transporte in oder durch den Weltraum. Der Übergang zwischen Erde und Weltraum ist fließend und wurde durch die Fédération Aéronautique Internationale (FAI) auf eine Grenzhöhe von 100 Kilometern festgelegt …   Deutsch Wikipedia

  • Raumfahrt — Als Raumfahrt bezeichnet man Reisen oder Transporte in oder durch den Weltraum. Der Übergang zwischen Erde und Weltraum ist fließend und wurde durch die Fédération Aéronautique Internationale (FAI) auf eine Grenzhöhe von 100 Kilometern festgelegt …   Deutsch Wikipedia

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